Übungen

Gläubige

„Menschenrechte sind ein universeller Standard: Sie sind Bestandteile jeder Religion und jeder Zivilisation.“

Shirin Ebadi 
Menschenrechtsanwältin und Friedensnobelpreisträgerin

Überblick

Themen
  • Religion und Weltanschauung
  • Kultur und Sport
  • Diskriminierung und Intoleranz
Komplexität

Stufe 3

Gruppengröße

Beliebig (in Kleingruppen: 4-6 Personen)

Zeit

180 Minuten

Überblick

Die Teilnehmer*innen setzen sich mit ihren unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen auseinander

Fokus
  • Religions- und Glaubensfreiheit
  • Informationsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung
  • Schutz vor Diskriminierung
Ziele
  • Verschiedene Glaubenssysteme und Religionen kennenlernen
  • Kritisches Denken entwickeln
  • Akzeptanz für die Vielfalt von Religionen sowie Weltanschauungen fördern
Materialien
  • Je 1 Satz Aussagekarten pro Kleingruppe
  • Bequeme Sitzplätze für die Kleingruppen zum Diskutieren
  • Je 1 Moderator_in pro Kleingruppe
Vorbereitung

Durchführung

Anleitung

  1. Erklären Sie den Teilnehmer*innen (TN), dass in dieser Übung über religiöse und weltanschauliche Überzeugungen diskutiert werden soll. Einige TN sind vielleicht tief religiös, andere weniger und manche gar nicht. Durch Austausch persönlicher Ansichten und kritisches Nachdenken über die verschiedenen Möglichkeiten, dem Leben einen Sinn zu geben, soll ein tieferes Verständnis für Artikel 18 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) erreicht werden.
  2. Machen Sie den TN klar, dass sie vorsichtig sein sollen mit dem, was sie sagen und wie sie sich ausdrücken. Der Schutz religiöser Überzeugungen wie auch religiöser Symbole vor Beleidigung und Verunglimpfung gehört zur Religionsfreiheit. Der Schutz ist jedoch gegen die Gedanken- und Meinungsfreiheit abzuwägen und bedeutet nicht eine generelle Immunität gegen Religionskritik. Somit sind ehrliche, offene Nachfragen in Ordnung, vorurteilsbehaftete und diskriminierende Äußerungen dagegen nicht.
  3. Bilden Sie Kleingruppen zu vier bis sechs Personen und geben Sie den TN drei oder vier Minuten Zeit, um jeweils für sich über ihre religiösen, ethischen, moralischen oder philosophischen Leitlinien nachzudenken, die in ihrem Leben wichtig sind.
  4. Legen Sie nun die Karten verdeckt in die Mitte der Kleingruppe. Geben Sie insgesamt eine Stunde Zeit zum Diskutieren. Die Diskussionen sollten kurz gehalten werden, um so viele Karten wie möglich zu behandeln. Auf diese Weise bekommen alle einen breiten Überblick; besonders interessante Punkte können später vertieft werden. Sie können mit ein bis maximal drei Minuten pro Karte rechnen.
  5. In jeder Runde deckt jemand eine Karte auf, liest sie laut vor und sagt etwas dazu. Danach bekommen die anderen Gelegenheit, ein Beispiel aus ihrer eigenen Religion oder ihrer ethischen/moralischen Überzeugung beizusteuern.
  6. Dann geht es weiter mit der nächsten Runde und jemand anders deckt eine Karte auf.
  7. Sind alle Karten aufgedeckt oder ist die Zeit abgelaufen, gehen Sie (in denselben Kleingruppen) zur Auswertung über.

Nachbereitung und Auswertung

  • War es schwierig, sich mit der einen oder anderen Aussage auseinanderzusetzen? Warum (nicht)?
  • Gab es als Reaktion auf Ihre eigene Religion/Weltanschauung irgendwelche Fakten, Überzeugungen oder Meinungen, die Sie überrascht haben?
  • Was hatte die Lerngruppe trotz unterschiedlicher Lebenseinstellungen gemeinsam?
  • Welche grundlegenden Unterschiede gab es zwischen den verschiedenen Lebenseinstellungen? Sind sie unvereinbar?
  • Was sollte man über die Lebenseinstellungen von anderen unbedingt wissen?
  • Angesichts der Tatsache, dass Religions-, Weltanschauungs- und Glaubensfreiheit ein Menschenrecht ist: Wie schwer ist es, andere zu respektieren, deren Lebenseinstellung man grundsätzlich ablehnt?
  • Inwieweit beeinflussen Unwissenheit und Vorurteile über verschiedene Lebenseinstellungen die gegenseitige Wahrnehmung von Menschen?
  • Herrschen in Ihrem Land Religions-, Weltanschauungs- und Glaubensfreiheit für alle? Warum (nicht)?
  • Inwieweit sollen aufgrund der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit Praktiken innerhalb einer Glaubensgemeinschaft erlaubt sein, die von denen der Mehrheitsgesellschaft abweichen? Beispiele dafür sind etwa Einstellungen zu Frauen in religiösen Führungspositionen, traditionelle Praktiken mit Kindern, Vorgaben und Praktiken rund um Taufe, Scheidung oder Bestattung, Zubereitung von Nahrungsmitteln, Verbote, den*die Religionsgründer*in abzubilden etc.
  • Woran sollten Sie bei der Planung einer Veranstaltung – zum Beispiel eines Picknicks, einer Sportveranstaltung oder eines Wochenendausflugs – für die gesamte Gruppe denken, damit alle ungeachtet ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung oder ihrer Religion daran teilnehmen können?
  • Manchmal ist es schwierig, bei der Veranstaltungsplanung allen religiös motivierten Bedürfnissen gerecht zu werden. Wie versuchen Sie, Probleme zu lösen? Welche Prioritäten setzen Sie, wenn Kompromisse gemacht werden müssen?
  • Was war das Interessanteste, was Sie aus dieser Übung gelernt haben?

Tipps für die Moderation

Einführung

Diese Übung behandelt ein sensibles Thema, daher ist es wichtig, dass sich alle wohlfühlen. Sorgen Sie für eine angenehme Atmosphäre. Alle müssen wissen, dass kein Druck besteht, mehr zu sagen oder zu erklären, als sie wollen oder können.

Respektieren Sie die Beiträge und Grenzen der TN; nicht alle können erklären, warum dieses oder jenes in ihrer Religion praktiziert wird, besonders dann nicht, wenn sie von früher Kindheit an mit einer bestimmten Religion aufgewachsen sind und so erzogen wurden. In dieser Hinsicht ähnelt Religion sehr stark der Kultur: Werte und kulturelle Muster werden als „naturgegeben“ übernommen.

Sorgen Sie dafür, dass kein Gruppendruck aufgebaut wird. Lassen Sie nicht zu, dass Einzelne wegen ihrer Religion oder Überzeugungen in die Defensive gedrängt werden, zum Beispiel indem jemand sagt: „Wie kannst du mit dieser Religion akzeptieren, dass …?“

Verlieren Sie sich nicht in zu vielen Details. Behalten Sie den Kartenstapel im Auge und sorgen Sie dafür, dass die Zeit für die meisten Karten reicht. Besonders kontroverse Themen können zu einem späteren Zeitpunkt nochmals ausführlicher diskutiert werden.

Moderieren Sie diese Übung zu mehreren, zum Beispiel eine Person für jede Kleingruppe als Diskussionsleitung. Prüfen Sie, ob Sie unter den TN ein paar Freiwillige instruieren können, die Sie dabei unterstützen. Je nach Zusammensetzung der Gruppe ist dies wichtig, damit die Beiträge und Erfahrungen der Einzelnen respektiert werden und eine konstruktive Auswertung sichergestellt ist. Steht niemand für die Ko-Moderation zur Verfügung, sollte die Evaluation unbedingt mit allen gemeinsam im Plenum durchgeführt werden.

Glaube lässt sich der Definition nach nicht mit rationalen Argumenten erklären. Daher sollten Sie Versuche eindämmen, die religiöse Überzeugungen durch rationale Argumente in Frage stellen. Betonen Sie, dass es wichtig ist, das Recht jedes Menschen auf Gedanken-, Gewissens-, Weltanschauungs- und Religionsfreiheit zu respektieren. Denken Sie daran, dass es ein wichtiges Ziel der Menschenrechtsbildung ist, kritisches Denken zu fördern, und dass es hilft, sich zu verschiedenen Lebenseinstellungen auszutauschen und sie zu vergleichen. Diese Diskussionsübung soll die Einsicht vermitteln, dass eine persönliche Entscheidung nicht absolut, sondern relativ ist.

Varianten

Wenn Sie die Übung mit mehreren Kleingruppen durchführen, ist es eine gute Idee, einen gemeinsamen und konstruktiven Abschluss zu gestalten. Bitten Sie dazu die Kleingruppen, sich Antworten auf die folgende Frage zu überlegen und diese am Ende ins Plenum einzubringen:

  • Nennen Sie Beispiele für Unwissenheit und Vorurteile über religiöse und nichtreligiöse Traditionen in Ihrem Land.
  • Was können wir tun, um Unwissenheit und Vorurteile abzubauen?

Vorschläge zur Weiterarbeit

Erstellen Sie eine Liste der theistischen und der nicht-theistischen Religionen (also Religionen mit beziehungsweise ohne einen Gott) und ethischen Systeme. Informationen dazu finden Sie zum Beispiel auf Wikipedia.

Fragen Sie die Gruppenmitglieder, von welchen sie schon gehört haben und was sie darüber wissen.

Sie können die Entwicklungsgeschichte verschiedener Glaubensrichtungen anhand einer Zeitleiste nachvollziehen. Siehe „Varianten“ in der Übung „Zeitleisten“.

Ideen zum Handeln

Je nachdem, in welchem Kontext Sie und die Gruppe leben oder arbeiten, kann es interessant sein, ein Gebetshaus oder Gemeindezentrum einer anderen Religion oder Weltanschauung zu besuchen und mit deren Jugendgruppen Kontakt aufzunehmen. Gegebenenfalls können Sie auch über gemeinsame Aktionen im Bereich der Religions- und Weltanschauungsfreiheit sprechen.

Weitere Informationen

Artikel 18 des UN-Zivilpakts

(1) Jedermann hat das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit.Dieses Recht umfasst die Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung eigener Wahl zu haben oder anzunehmen, und die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung allein oder in Gemeinschaft mit anderen, öffentlich oder privat durch Gottesdienst, Beachtung religiöser Bräuche, Ausübung und Unterricht zu bekunden.

(2) Niemand darf einem Zwang ausgesetzt werden, der seine Freiheit, eine Religion oder eine Weltanschauung seiner Wahl zu haben oder anzunehmen, beeinträchtigen würde.

(3) Die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung zu bekunden, darf nur den gesetzlich vorgesehenen Einschränkungen unterworfen werden, die zum Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erforderlich sind.

(4) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Freiheit der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds oder Pflegers zu achten, die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen.

In der Allgemeinen Bemerkung Nr. 22 des UN-Menschenrechtsausschusses zu Artikel 18 des UN-Zivilpakts heißt es: „Das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit (…) hat einen weiten Geltungsbereich; es umfasst die Gedankenfreiheit in allen Bereichen, die persönliche Weltanschauung und die allein oder in Gemeinschaft mit anderen bekundete Zugehörigkeit zu einer Religion oder einem Glauben. (…) Artikel 18 schützt (…) Anschauungen sowie das Recht, sich zu keiner Religion oder Weltanschauung zu bekennen. Die Ausdrücke „Weltanschauung“ und „Religion“ müssen im weiten Sinn ausgelegt werden.“

In dieser Übung konzentrieren wir uns auf „Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“ im Sinne der Allgemeinen Bemerkung, also auf das Recht, aus freien Stücken einer Religion oder Weltanschauung anzugehören oder nicht. Religionen oder Weltanschauungen sind geistige Bezugssysteme, die uns helfen, die Welt zu verstehen und im Leben einen Sinn und Wert zu erkennen. Viele Lebenseinstellungen sind eindeutig religiös, zum Beispiel Christentum, Hinduismus und Islam. Manche Lebenseinstellungen sind nicht religiös, wie zum Beispiel Marxismus oder Humanismus. Andere Lebenseinstellungen, wie etwa Buddhismus und Konfuzianismus, gelten zwar gemeinhin als Religionen, aber viele ihrer Anhänger*innen argumentieren, dass ihre Überzeugungen nichts mit einer Gottheit zu tun hätten und daher Philosophien seien.

Arbeitsblätter

Video: onlinekas - Deutschland besser verstehen lernen - Religionsfreiheit

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