Übungen

Zeitleisten

„Die Geschichte lehrt alles, auch die Zukunft.“

Lamartine 
französischer Schriftsteller und Politiker (1790-1869)

Überblick

Themen
  • Menschenrechte allgemein
  • Erinnerung
  • Globalisierung
Komplexität

Stufe 3

Gruppengröße

Beliebig

Zeit

60+ Minuten

Überblick

Die Teilnehmer*innen erstellen gemeinsam eine Zeitleiste zur Entwicklung der Menschenrechte seit 2000 v. u. Z. und machen sich Gedanken über die Zukunft. Diese Methode eignet sich auch zur Darstellung der Geschichte bestimmter Themen oder Gruppen.

Fokus
  • Alle Menschenrechte
Ziele
  • Über die Entwicklung der Menschenrechte im Lauf der Geschichte Bescheid wissen
  • Kommunikationsfähigkeit und kritisches Denken entwickeln
  • Fähigkeiten zum Recherchieren und zur kritischen Quellenanalyse stärken
Materialien
  • 1 Rolle breites Krepp-Klebeband
  • Eine 10 bis 12 Meter lange Wand
  • Haftnotizzettel in 3 verschiedenen Farben
  • Flipchart und verschiedenfarbige Marker
  • Computer mit Internetzugang
Vorbereitung

Durchführung

Anleitung

  1. Zeigen Sie den Teilnehmer*innen (TN) die Zeitleiste. Markieren Sie das aktuelle Jahr. Die Gruppe soll nun diese Zeitleiste mit Ereignissen bestücken, die mit den Menschenrechten verknüpft sind. Zum Beispiel Geburts- oder Sterbedaten von Menschen, die sich mit Themen und Prinzipien befasst haben, die sich in menschenrechtlichen Dokumenten und Gesetzen wiederfinden, zu Gerechtigkeit aufriefen oder sich dafür einsetzten; oder Ereignisse, die etwas im Denken der Menschen über Rechte verändert und Reaktionen ausgelöst haben; oder Gesetze oder Konventionen zum Menschenrechtsschutz. Ermutigen Sie die TN, dabei auch außereuropäische Ereignisse und solche, die nicht traditionell in ihrem Geschichtsunterricht vermittelt werden, zu berücksichtigen.
  2. Verteilen Sie hierfür Haftnotizzettel in allen drei Farben an alle Anwesenden. Die verschiedenen Farben stehen für unterschiedliche Kategorien, die mit Menschenrechten zu tun haben, zum Beispiel: Gelb für wichtige Personen oder Institutionen, Grün für wichtige Dokumente und Gesetze und Blau für sonstige wichtige Ereignisse. Halten Sie diese Einteilung für alle sichtbar auf dem Flipchart fest.
  3. Es kann sich um Ereignisse, Personen oder Dokumente mit lokaler, regionaler, nationaler oder internationaler Bedeutung handeln. Die TN sollen zunächst jeweils für sich versuchen, das Jahr und den Namen des Ereignisses oder der Person auf einen Haftnotizzettel in der passenden Farbe zu schreiben und diesen dann an die Zeitleiste heften.
  4. Pro TN sollten mindestens drei Zettel angeheftet und insgesamt möglichst viele verschiedene Ereignisse zusammengetragen werden ohne sich zu doppeln. Es ist möglich, dass die TN sich beraten, gemeinsam überlegen oder im Internet recherchieren.
  5. Wenn der Ideenstrom abebbt, versammeln sich alle vor der Zeitleiste und gehen die Zettel durch. Bitten Sie einzelne Gruppenmitglieder, zu erläutern, warum sie diese Ereignisse ausgewählt haben.

Nachbereitung und Auswertung

  • War es leicht, Informationen für die Zeitleiste zu finden? Welche Quellen waren nützlich?
  • Worauf ist bei einer Internetrecherche zu achten? Woran sind seriöse und unseriöse Quellen zu erkennen?
  • Wie eurozentrisch ist das vorherrschende Geschichtswissen?
  • Welche Informationen fanden die TN am interessantesten, am überraschendsten oder am erschreckendsten? Warum?
  • In welchen Zeiträumen ist im Hinblick auf Menschenrechte besonders viel geschehen? Womit kann dies zusammenhängen?
  • Welches waren im Lauf der Geschichte die wichtigsten Bedingungen und Kräfte für die Entwicklung der Menschenrechte?
  • Ist es wichtig, über die Geschichte der Menschenrechte Bescheid zu wissen? Warum?
  • Welches könnten zukünftige Themen für die Weiterentwicklung von Menschenrechten sein?

Tipps für die Moderation

Einführung

Beachten Sie, dass weltweit über 40 verschiedene Kalender in Gebrauch sind, unter anderem chinesische, islamische, hinduistische, hebräische, persische und buddhistische Kalender. Jahreszahlen können daher verwirrend sein; so entspricht etwa das Jahr 2017 des christlichen Kalenders den Jahren 1438/39 des islamischen Kalenders. Also: Vorsicht vor einem möglichen Jahreszahlendurcheinander. Nutzen Sie die Verwirrung, um auf die interkulturelle Dimension aufmerksam zu machen.

Varianten

Bereiten Sie Kärtchen mit Jahreszahlen und Ereignissen vor und veranstalten Sie ein Quiz. Lesen Sie den Namen der Person beziehungsweise die Bezeichnung des Ereignisses oder des Gesetzes vor und fragen Sie nach der zugehörigen Jahreszahl. Heften Sie die Kärtchen an die Zeitleiste, so kann sich die Gruppe von diesen Meilensteinen inspirieren lassen.

Lassen Sie die TN nach Zitaten berühmter Persönlichkeiten, Beispielen aus der Musik, Kunst und Literatur und nach sportlichen Ereignissen suchen, die für die Menschenrechte von Bedeutung waren, und heften Sie diese zusätzlich an die Zeitleiste.

Diese Übung lässt sich auch in einem offenen Rahmen (während eines Seminars, in einem Unterrichtsraum…) durchführen. So lässt sich die Zeitleiste jederzeit ergänzen.

Diese Übung kann sich auch über zwei Termine erstrecken und die TN können aufgefordert werden, zu Hause oder in einer Bibliothek weiter zu recherchieren. Diese Methode ist ein sehr guter Diskussionseinstieg zum Thema Erinnerung und Geschichte. Recherchieren Sie Informationen im Internet. Suchen Sie zum Beispiel nach „Zeitleiste der Sinti*zze und Rom*nja“ (Sinti*zze und Rom*nja ist die alle Geschlechtsidentitäten umfassende Bezeichnung für Sinti und Roma), „Zeitleiste der Armenier*innen“ oder „Zeitleiste Saami*nnen in Lappland“. Ähnlich können Sie die Entwicklung bestimmter Themen aufzeigen, etwa von Frauenrechten, Kinderrechten oder der Behindertenrechtsbewegung.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Nehmen Sie einen Jahrestag eines Ereignisses in Ihrem Kalender zum Anlass, sich mit anderen Gruppen zu einer Veranstaltung zur Förderung der Menschenrechte zu treffen.

Um mehr über einige Menschenrechtsaktivist*innen unserer Zeit zu erfahren, eignet sich die Übung „Aktiv für Menschenrechte“.

Wenn sich die Gruppe dafür interessiert, wie sich Gedankengut im Lauf der Zeit verändert, dann gefällt ihr vielleicht die Übung „Bald überholt“.

Ideen zum Handeln

Illustrieren Sie die Zeitleiste mit Fotos oder Cartoons und stellen Sie sie bei einer Veranstaltung aus; oder erstellen Sie bei einer offenen Veranstaltung eine Zeitleiste und laden Sie die Öffentlichkeit zum Mitmachen ein.

Weitere Informationen

Unvollständige Zusammenfassung einiger Ereignisse, die allgemein mit der Geschichte der Menschenrechte beziehungsweise mit Religionen und Philosophie in Verbindung gebracht werden:

Circa 2000 v. u. Z. Das Gesetz von Hammurabi in Babylonien (heutiger Irak) ist das erste schriftlich niedergelegte Gesetzbuch. Durch diese schriftliche Niederlegung wird das Recht transparenter als zuvor. Der König Babylons gelobt, „im Königreich Gerechtigkeit walten zu lassen, ... die Starken von der Unterdrückung der Schwachen abzuhalten ... das Land zu erleuchten und das Gute im Volk zu fördern.“

Circa 1500 v. u. Z. Nach biblischer Überlieferung übergibt Moses den Stämmen Israels die Gesetzestafeln mit den zehn Geboten Gottes, unter anderem: „Du sollst nicht töten.“

Ab circa 660 v. u. Z. Als Goldene Regel bezeichnet man einen alten und verbreiteten Grundsatz der praktischen Ethik: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“ („Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu“). Ähnliche Merksprüche oder Lehrsätze werden vom 7. Jahrhundert v. u.Z. an in religiösen und philosophischen Texten aus China, Indien, Persien, Altägypten und Griechenland überliefert.

Circa 500-400 v. u. Z. Buddha predigt im heutigen Indien Moral, Ehrfurcht vor dem Leben, Gewaltlosigkeit und richtiges Verhalten.

Ab circa 550 v. u. Z. Der Hinduismus entsteht. Er vereint verschiedene religiöse Strömungen, einige davon glauben an eine Wiedergeburt oder an heilige Tiere. In allen Strömungen ist das Karma, das ethische Handeln, wichtig.

Circa 500 v. u. Z. In den Lehren des Konfuzius ist das zentrale Thema die menschliche Ordnung, die seiner Meinung nach durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar sei.

Circa 400 v. u. Z. Das Dàodéjīng, die Grundlage des Daoismus, entsteht. Der chinesischen Legende nach stammt es von einem Weisen namens Lˇaozˇi. Es enthält eine Lehre, die die Befreiung von Gewalt und Armut, die dauerhafte Etablierung eines harmonischen Zusammenlebens und letztlich den Weltfrieden zum Ziele hat.

Circa 26–33 u. Z. Jesus predigt Toleranz, Gerechtigkeit, Vergebung und Liebe.

Circa 613–632 u. Z. Mohammed lehrt die Grundsätze der Gleichheit, Gerechtigkeit und des Mitgefühls, die im Koran offenbart werden.

930 In Island wird das Althing gegründet, das älteste Parlament der Welt.

1215 In diesem Jahr erheben sich englische Adlige und Angehörige des Klerus gegen den König von England. Sie setzen die große Freiheitscharta (Magna Charta) auf und zwangen ihn damit zu dem Versprechen, sich an das Gesetz zu halten. Die Magna Charta schützt allerdings nur die Rechte der Privilegierten (des Adels), also nicht die Rechte aller Menschen. Dennoch wird sie häufig zitiert, wenn es darum geht, Freiheiten zu verteidigen, weil sie die Macht des Königs zugunsten der Rechte und Freiheiten anderer einschränkt.

1222 Die Manden Charta (gehört als älteste Verfassung der Welt zum Kulturerbe der Menschheit) und die Kurukan Fuga Charta (1236 u. Z.) bündeln und übersetzen mündliche Überlieferungen aus Westafrika. Sie verkünden Prinzipien wie Dezentralisierung, Umweltschutz, Menschenrechte und kulturelle Vielfalt.

1632-1704 Von John Locke stammt die Theorie, dass alle Menschen bestimmte Rechte haben, die sich nicht aus ihrer jeweiligen Regierung oder aus Gesetzen ableiten, sondern daraus, dass sie Menschen sind. Die Legitimität einer Regierung beruhe eben darauf, inwieweit sie diese natürlichen Rechte achte, so Locke. Der Gedanke, dass diese natürlichen Rechte einen Anspruch auf bestimmte gesetzliche Schutzrechte begründen, findet immer mehr Zustimmung und geht nach und nach in die Verfassungen mancher Länder ein. Mit den Menschenrechten wird dieser Gedanke neu formuliert und auch auf das Verhältnis zwischen Regierung und Individuen bezogen.

1789 Die Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Mit der Erklärung wird das politische und rechtliche System der Monarchie abgeschafft. Stattdessen werden die natürlichen Rechte des Menschen als „Freiheit, Eigentum, Sicherheit und das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung“ definiert. Das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz ist ebenfalls in der Erklärung enthalten. Auch hier gibt es jedoch Rückschläge für die Idee der Menschenrechte, wie wir sie heute kennen: Olympe de Gouges verfasst 1791 die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin und kritisiert, dass an der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte keine Frauen beteiligt sind. Sie wird 1793 hingerichtet.

1791 Vereinigte Staaten von Amerika: Bill of Rights. Der Kongress der Vereinigten Staaten nimmt die Bill of Rights als Verfassungszusatz an. Sie enthält die Rechte auf Schwurgerichtsverhandlung, Meinungs- und Redefreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit und andere.

1791 Als Haitianische Revolution wird der Sklavenaufstand in der französischen Kolonie Saint-Domingue und die nachfolgenden Ereignisse bezeichnet. Sie führt am 1. Januar 1804 zur Umwandlung der Kolonie in den Staat Haiti – den ersten unabhängigen Staat in Lateinamerika und den ersten, der durch ehemalige Sklaven geformt wird.

1807 Verabschiedung von Gesetzen gegen den Sklavenhandel in Großbritannien und Amerika. 1890 wird ein internationales Gesetz gegen die Sklaverei unterzeichnet, das später von 18 Staaten ratifiziert wird. Darin wird die Absicht erklärt, den Handel mit afrikanischen Sklaven zu beenden. Zwangsarbeit und menschenverachtende Arbeitsbedingungen werden mit dem Gesetz aus der Brüsseler Konferenz jedoch nicht bekämpft. Selbst die internationale Konvention gegen Sklaverei von 1926, mit der Sklaverei in jeglicher Form abgeschafft werden soll, hat keine Auswirkungen auf die verbreitete Praxis der Zwangsarbeit.

1859 Schlacht von Solferino. Sie bringt Henry Dunant auf die Idee, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zu gründen, und führt zu den ersten Genfer Konventionen.

1863 Gründung der Religion der Bahai durch Bahā’ullāh in Bagdad. Die Bahai glauben an die Einheit Gottes, die Einheit der Religionen und die Einheit und Gleichheit aller Menschen.

1899 Unterzeichnung des ersten Haager Abkommens, das zusammen mit den Genfer Konventionen die Grundlage des humanitären Völkerrechts bildet

1893 Einführung des Wahlrechts für Frauen in Neuseeland (als erstem Land der Welt)

1918 Gründung der Native American Church in den USA. Sie lehrt eine Mischung aus verschiedenen Religionen der indigenen nordamerikanischen Bevölkerung und dem Christentum.

1945 Gründung der Vereinten Nationen (UN). Die Charta der Vereinten Nationen nennt als grundlegende Ziele, „unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit und an die Gleichberechtigung von Mann und Frau ... erneut zu bekräftigen“.

1948 Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) durch die Vereinten Nationen. Die AEMR ist zweifellos bahnbrechend und nach wie vor das wichtigste globale Menschenrechtsinstrument. Zur Absicherung ihrer Prinzipien werden seitdem etliche rechtlich bindende Instrumente geschaffen und von der internationalen Staatengemeinschaft vereinbart. Weitere Informationen über einige dieser internationalen Abkommen finden sich in Kapitel 4.3.

1950 Verabschiedung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europarat. Sie garantiert bürgerliche und politische Rechte für alle 47 Mitgliedstaaten. Ihre große Stärke ist das Organ zu deren Durchsetzung – der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

1961 Gründung von Amnesty International als Ergebnis einer Kampagne zur Befreiung zweier portugiesischer Studenten, die sieben Jahre lang im Gefängnis saßen, weil sie auf die Freiheit angestoßen hatten

1965 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (1969 in Kraft getreten)

1966 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1976 in Kraft getreten)

1971 Nach einer Abstimmung (des männlichen Teils der Bevölkerung) wird das Frauenwahlrecht in der Schweiz eingeführt. Auf kantonaler Ebene wird es zuerst 1959 im Kanton Waadt beschlossen; als letzter Kanton schließt sich 1990 Appenzell Innerrhoden an – allerdings nicht freiwillig, sondern aufgrund eines Entscheids des Bundesgerichts. 1984 führt Liechtenstein als letztes westeuropäisches Land das Frauenwahlrecht ein, nachdem zuvor in zwei Volksabstimmungen (1971 und 1973) die Einführung noch abgelehnt worden ist.

1976 Aufstand in Soweto, Südafrika, auch Schüleraufstand genannt. Er fordert zahlreiche Todesopfer und führt zu lange andauernden, landesweiten Protestaktionen gegen die rassistische Bildungspolitik und das gesamte Apartheidsregime des Landes.

1979 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) (1981 in Kraft getreten)

1984 Anti-Folter-Konvention der UN (1987 in Kraft getreten)

1989 Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1990 in Kraft getreten). Dies ist der Menschenrechtsvertrag, der von den meisten Staaten unterzeichnet ist. Nur die USA haben die Konvention nicht ratifiziert.

1990 Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (ICRMW) (2003 in Kraft getreten)

2007 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (im Mai 2008 in Kraft getreten). Keine andere UN-Konvention der Geschichte wird gleich am ersten Tag von so vielen Staaten unterzeichnet wie diese.

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