Übungen

Die Welt mit anderen Augen sehen

„Ich weiß, dass ich die Dinge nicht so sehe, wie sie sind – ich sehe sie, wie ich bin.“

Laurel Lee 
australische Sängerin (1942-1992)

Überblick

Themen
  • Armut
  • Menschen mit Behinderungen
  • Diskriminierung
Komplexität

Stufe 3

Gruppengröße

Beliebig

Zeit

Mindestens 4 Stunden. Teil 1: 30 Minuten; Teil 2: mindestens 180 Minuten; Teil 3: 30 Minuten

Überblick

Dies ist eine Aktivität, bei der sich die Gruppe mit Teilhabe und Barrieren auseinandersetzt und die den Blick auf die Umwelt und gesellschaftliches Handeln schärfen soll.

Fokus
  • Alle Menschenrechte
  • Recht auf gesellschaftliche Teilhabe
  • Diskriminierungsschutz
Ziele
  • Für die ungleichen Chancen in der Gesellschaft sensibilisieren
  • Beobachtungsgabe und Vorstellungskraft entwickeln
  • Solidarität und Motivation fördern, sich für Gerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe einzusetzen
Materialien
  • Stifte
  • Kartei- oder Moderationskarten
  • Klebeband
  • Je 1 Kopie der Hinweise und der Checkliste pro Person
  • Je 1 Fotoapparat oder Smartphone zum Fotografieren pro Kleingruppe
  • Je 1 Zollstock oder Maßband pro Kleingruppe

Durchführung

Anleitung

Teil 1
  1. Beginnen Sie im Plenum mit einem Austausch darüber, was gesellschaftliche Teilhabe für jede*n bedeutet. In welchen Alltagssituationen spielt gesellschaftliche Teilhabe eine wichtige Rolle? („Gesellschaftliche Teilhabe bedeutet für mich die Teilhabe an….“). Bitten Sie die Teilnehmer*innen (TN), ihre Gedanken dazu auf Karteikarten zu notieren und dann an eine Wand zu heften.
  2. Bitten Sie die TN, jede*r für sich darüber nachzudenken, wie es um die persönliche Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen, Alltagssituationen oder auch
    – Wann würden die TN eine Teilnahme als gelungen bezeichnen?
    – War ihr Grad der Teilhabe immer schon gleich hoch oder hat sich dies verändert? Was hat sich verändert?
    – Gibt es Situationen, bei denen die TN ihre Teilhabemöglichkeiten eingeschränkt oder gar schlecht bewerten? Woran liegt das?
    – Können die TN Barrieren benennen, die ihnen die Teilhabe erschweren oder verhindern?
    – Wie gehen die TN mit diesen Barrieren um?
    3. Bitten Sie die TN auf freiwilliger Basis, von ihren Erfahrungen zu berichten oder mitzuteilen, wenn ihnen in diesem Schritt etwas bewusst geworden ist, was ihnen vorher nicht klar war.
Teil 2
  1. Erläutern Sie den TN nun, dass sie exemplarisch die Übung „Gemeinde-Detektiv*innen auf der Suche nach Barrieren“ durchführen werden.
  2. Erklären Sie der Gruppe, dass es in diesem Übungsteil insbesondere um Menschen geht, die Barrieren in den Bereichen Bewegung, Hören und Sehen erleben.
  3. Führen Sie ein kurzes Brainstorming zu möglichen Barrieren in den Bereichen Mobilität, Hören und Sehen durch. Falls diese noch nicht in der Checkliste abgedeckt sind, kann die Liste natürlich ergänzt werden!
  4. In dieser Übung werden Kleingruppen gebildet. Jede Kleingruppe entscheidet sich für einen sozialen Raum, den sie auf Barrieren und Barrierefreiheit hin untersuchen möchte, zum Beispiel ihre Ausbildungsstätte, den Jugendclub oder Sportverein.
  5. Vereinbaren Sie mit den TN Regeln für die Arbeit in den Kleingruppen (Umgang untereinander, Umgang mit Menschen, auf die sie während dieses Übungsteils stoßen, Verhalten im öffentlichen Raum).
  6. Verteilen Sie nun die Hinweise und die Checklisten an die Kleingruppen und verständigen Sie sich, wieviel Zeit sie dafür benötigen und in welcher Form die Ergebnisse dokumentiert und anschließend präsentiert werden.
  7. Im Anschluss an die Recherche und die Präsentationen der Ergebnisse findet ein kurzer Austausch dazu statt, welche Erfahrungen und Erkenntnisse zentral waren.
  8. Laden Sie eine oder mehrere Aktivist*innen mit einer Beeinträchtigung ein. Diskutieren Sie über ihre Erfahrungen zu Barrieren und Teilhabe und über die Einschätzungen der Kleingruppen.
Teil 3
  1. Bitten Sie nun die TN, sich nochmals den gesammelten Stichworten und den im ersten Teil diskutierten Fragen zuzuwenden. Bieten Sie ihnen an, weitere Stichworte oder für sie wichtige Erkenntnisse zu notieren und hinzuzufügen, die nun nicht mehr unbedingt mit ihnen persönlich zu tun haben müssen.
  2. Diskutieren Sie mit der Gruppe, ob jeder Mensch auf Barrieren treffen kann, die ihn an gesellschaftlicher Teilhabe hindern, zum Beispiel aufgrund einer Behinderung, sozio-ökonomischer Bedingungen, wegen der Sprache oder des Alters etc. Überlegen Sie, welche Verschränkungen es zwischen den Barrieren gibt.
  3. Sprechen Sie darüber, dass auch Zuschreibungen zu Personengruppen als Teilhabe- Barrieren wirken können. Wie sind hier die Mechanismen? Wie kann dem entgegengewirkt werden?
  4. Fragen Sie, wie die TN in ihrem Umfeld dazu beitragen können, Barrieren abzubauen und jedem Menschen mehr gesellschaftliche Teilhabe zu bieten.

Nachbereitung und Auswertung

Die einzelnen Teile dieser Übung bauen aufeinander auf und ermöglichen der Gruppe, ihr Wissen zu erweitern. Für die Auswertung aller drei Teile können folgende Impulsfragen hilfreich sein:

  • Was waren für die einzelnen TN wichtige, beeindruckende oder überraschende Momente in dieser Übung?
  • Hat sich ihre Perspektive auf Menschen, die in ihrem Alltag an der Teilhabe von gesellschaftlichen Prozessen behindert werden, verändert? Inwiefern?
  • Hat sich ihre Perspektive auch im Hinblick auf die Gestaltung ihres sozialen Umfeldes und der Berücksichtigung unterschiedlicher Bedarfe geändert? Inwiefern?
  • Was hat das Nachdenken über Zuschreibungen und hierdurch eventuell bedingte Barrieren bewirkt?
  • Welchen Bezug zu den Menschenrechten sehen die TN? Welche Menschenrechte werden durch eingeschränkte Teilhabe verletzt? Wie schwer ist es, Teilhaberechte einzufordern?
  • Wer sollte dafür verantwortlich sein, dass alle Menschen ihre Rechte wahrnehmen können?
  • Wie denken die TN nun über ihr Leben und ihre Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe?
  • Wird diese Übung Auswirkungen auf ihr Handeln haben, zum Beispiel in der Ausbildungsstätte oder in der Jugendgruppe? Wenn ja, welche?

Tipps für die Moderation

Einführung

In dieser Übung geht es, insbesondere in Teil 2, um Menschen mit Beeinträchtigungen, in Teil 3 um Menschen, die aus anderen Gründen Behinderungen ihrer Teilhabemöglichkeiten erfahren. Bedenken Sie, dass möglicherweise Personen mit Behinderungserfahrungen an dieser Übung teilnehmen.

Wir empfehlen deshalb, die Übung zu Beginn vorzustellen und es den TN zu ermöglichen, ihre Perspektive einzubringen oder die Übung gemeinsam entsprechend anzupassen. Achten Sie außerdem darauf, wie über Zuschreibungen gesprochen und diskutiert wird und sorgen Sie für einen respektvollen Umgang. Der Begriff „Barrieren“ und die Auseinandersetzung mit Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe werden insbesondere im Kontext der UN- Behindertenrechtskonvention und der Lebenssituation von Menschen mit Beeinträchtigungen diskutiert. Sie werden in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe oftmals durch unterschiedliche Barrieren behindert, die es in dieser Übung zu entdecken gilt.

Menschen werden aus unterschiedlichsten Gründen diskriminiert und stigmatisiert und dadurch in ihrer vollen gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt. Dies betrifft zum Beispiel alleinerziehende Mütter oder Väter, Rentner*innen, Menschen mit Migrationsgeschichte, mit Behinderungen, Homosexuelle, trans* oder inter*Personen, wohnungslose Menschen, Menschen ohne Papiere oder Analphabet*innen.

Varianten

Sie können auch die Kleingruppen mit unterschiedlichen Checklisten – und dann vielleicht in demselben sozialen Raum – losziehen lassen.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Versuchen Sie, zusätzliche Perspektiven von Menschen mit Beeinträchtigungen, von Rentner*innen etc., die sich für ihre gesellschaftliche Teilhabe einsetzen, miteinzubeziehen. Lassen Sie Expert*innen in eigener Sache berichten, tauschen Sie sich mit ihnen nicht nur zu Barrieren aus, sondern auch dazu, was getan werden muss und jeder dazu beitragen kann, diese Barrieren abzubauen.

In der Übung „Ein Schritt nach vorn“ bekommen die TN ein Gefühl dafür, wie sich Benachteiligung auf das Leben von Menschen auswirkt. Mit „Geschichte zweier Städte“ können sie der Frage nachgehen, welchen Einfluss die Finanzierung von Sozialleistungen auf das Gemeindeleben hat.

Der Zugang zum Arbeitsmarkt kann für manche Menschen hilfreich sein, um eine benachteiligte Lebenslage zu verändern. Unter anderem für Menschen mit Behinderungen oder Migrationsgeschichte kann es ein Problem sein, Zugang zu Arbeit zu erhalten. In der Übung „Ich will arbeiten“ können sich die TN mit einigen dieser Schwierigkeiten auseinandersetzen.

Ideen zum Handeln

Machen Sie diese Übung im Familien-, Freundes- oder Kollegenkreis und initiieren Sie ein Gespräch über Teilhabebarrieren und –rechte.

Sammeln Sie die Hinweise der TN aus Teil 2 und überlegen Sie gemeinsam, wie diese Hinweise in die jeweilige Einrichtung transportiert werden können. Sie könnten um einen Gesprächstermin bitten, bei dem Sie Unterstützung anbieten, wie Barrieren abgebaut werden können. Hilfreich hierbei kann der Austausch mit Expert*innen sein, die aus ihrem Alltag berichten.

Recherchieren Sie, welche Einrichtungen in Ihrem Umfeld bereits über Checklisten zu Barrierefreiheit verfügen und finden Sie heraus, wie diese entstanden sind und wie sie evaluiert werden.

Sie können auch Checklisten entwickeln, die individuell auf eine Einrichtung, zum Beispiel auf eine Unterkunft für wohnungslose Menschen, zugeschnitten sind, und sich an den Bedarfen der Menschen dort orientieren. Entwickeln Sie diese Checklisten mit ihnen zusammen!

Weitere Informationen

 Die Möglichkeiten der gesellschaftlichen Teilhabe sind nicht für alle Menschen gleich. Viele Menschen erleben ihre Teilhabe eingeschränkt, weil sie diskriminiert werden. Die Gründe hierfür sind nicht ihre Beeinträchtigung, ihr hohes Alter oder ihre Wohnungslosigkeit, sondern Barrieren wie unzureichende Vorkehrungen in Ämtern, Formulare, die nicht in ihrer Sprache angeboten werden, oder ein mangelhaftes Angebot zur gesundheitlichen Versorgung. Auch fehlender Zugang zu Bildung sowie Arbeitslosigkeit und fehlende Beratungsmöglichkeiten sind Barrieren.

Weitere Informationen zu den Themen Diskriminierungsschutz und Behinderungen finden Sie in Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB).

Die Lebende Bibliothek ist eine Idee, die im Jahr 2000 in Dänemark ihren Anfang nahm und inzwischen vom Europarat mit dem Buch „Don’t judge a book by its cover!“ (Beurteile ein Buch nicht nach seinem Einband!) gefördert wird. Eine Lebende Bibliothek funktioniert genauso wie eine normale Bibliothek: Menschen kommen, um sich für eine bestimmte Zeit ein „Buch“ auszuleihen. Es gibt nur einen Unterschied: Die „Bücher“ in der Lebenden Bibliothek sind Menschen und die „Bücher“ und ihre Leser*innen treten in einen persönlichen Dialog. Die „Bücher“ der Lebenden Bibliothek sind Angehörige von Gruppen, die oft mit Vorurteilen und Klischees konfrontiert sind und diskriminiert und ausgegrenzt werden.

Arbeitsblätter

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